Inspiriert vom Alltag sowie der Kunstgeschichte

Noah Kauertz,Meisterschüler der Alanus Hochschule, im Interview über sein Werk zwischen urbaner Wandmalerei und isolierter Leinwandarbeit

Herr Kauertz, Sie sind Indien geboren, in Spanien aufgewachsen, haben ein halbes Jahr lang Europa mit dem Fahrrad erkundet. Welchen Einfluss haben andere Länder, Städte, das Reisen allgemein auf Ihre Arbeit?

„Ich bin der Überzeugung, dass es unabdingbar ist, in die Welt zu gehen, um Kunst zu schaffen. Die Lebenserfahrungen, die man beim Reisen sammelt, fließen unweigerlich in das künstlerische Werk mit ein, ob bewusst oder unbewusst. Das Interesse am Unbekannten und an Kultur im weitesten Sinne, weitet den Blick, und führt im Umkehrschluss auch zu einem besseren Verständnis und Interesse an der eigenen Kultur.“

Warum spielt Urbanität, das Arbeiten auf der Straße, an rauen Mauern und großen Wänden eine so große Rolle für Sie?

„Das Arbeiten im urbanen Raum hat für mich unzählige positive Aspekte und ist damit für mich unverzichtbar geworden. Einer der wichtigsten Unterschiede zur Atelierarbeit ist die Zusammenarbeit mit meinem Freund und Kollegen Oliver Hollatz. Für und durch die Wandmalerei, um in die Welt zu kommen und dabei im Dialog freie Arbeiten umsetzen zu dürfen, empfinde ich als großes Privileg. Aus künstlerischer Sicht ist die Wandmalerei eine Möglichkeit, Kunst einer breiten Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. Gerade für Menschen, die keinen Zugang zum musealen Kontext haben.“

Sie haben einige riesige Wandgemälde angefertigt. Was reizt Sie daran und wie sind die Motive dafür entstanden?

„Ein großer Reiz besteht darin, im öffentlichen Raum gesehen zu werden und dadurch einen leichten Zugang zu bekommen, mit sehr unterschiedlichen Menschen direkt oder indirekt, über die Malerei, kommunizieren zu können. Nun ist die Wandmalerei, im Gegensatz zu einer Leinwand, an einen ganz spezifischen Ort gebunden. Dadurch beziehen sich die Motive, inhaltlich oder formal, auf einen speziellen Ort. Auch wenn an keinen inhaltlichen Bezug angeknüpft wird, beziehen wir kompositorisch und farblich die direkte Umgebung in das Gemälde mit ein.“

Was sind die „Vor- und Nachteile“ des großformatigen Auslebens im Freien im Gegensatz zur kleinteiligen Leinwand Arbeit im Atelier?

„Was sowohl als Vor- als auch als Nachteil gesehen werden kann, ist die physische, durchaus anstrengende, Arbeit im außen. Bei Wind und Wetter arbeiten wir oft 10 bis 12 Stunden täglich. Für mich ist es dennoch ein klarer Vorteil, da dieses Arbeiten einen Gegenpol zur isolierten Atelierarbeit bildet. Ein Nachteil kann sein, wenn ein Projekt für einen bestimmten, limitierten Zeitraum geplant wird und das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht. Beides machen zu können ist ideal für mich und beide Arbeitsweisen beeinflussen sich stets gegenseitig. So wird es nie langweilig.“

Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben und wie hat sich diese bis heute entwickelt? Was möchten Sie damit beim Betrachter auslösen?

„Es gibt eben zwei Werke, die ich verfolge, mein eigenes auf Leinwand und das im öffentlichen Raum mit meinem Kollegen. Auch wenn sich diese beiden Werke beeinflussen, unterscheide ich hier ganz klar. Da ich nun eine Soloausstellung in der Kölner Filiale der Braunschweiger Privatbank realisieren durfte, werde ich darauf einzugehen: Die Szenerien in meinen Bildern, inspiriert aus meinem täglichen Leben sowie der Kunstgeschichte, bewegen sich in etwas Bühnenhaften und besitzen zugleich eine Alltäglichkeit. Ob Interieur oder Stillleben, der zeitliche Aspekt spielt eine mehrschichtige Rolle. Durch das mehrfache Übermalen entsteht eine Überlagerung. Dies führt zu einer Fragment haften Darstellung, die sich dennoch in einem Raum abspielt. Auch die Rezeption, der zum Teil komplexen Komposition, fordert eine gewisse Zeitlichkeit ein. Der Sehvorgang selbst, mit seiner abwechselnd fokussierten und flüchtigen Charakteristik, wird zum Thema. Der Betrachter wird mit der Vielschichtigkeit des eigenen Sehens konfrontiert. In meiner malerischen Entwicklung habe ich verschiedenste Phasen durchlaufen. Alltägliche Szenen haben mich schon immer gereizt, daher haben sich meine Motivwelten nicht großartig verändert. Man könnte es so zusammenfassen: von Szenen, die wie Einblicke hinter die Kulissen wirken, über eine kurze surreale Phase, hin zur Bühne selbst. Trotz unterschiedlicher Phasen bin ich immer beim Medium Malerei geblieben, auch weil ich bis heute unzählige Möglichkeiten sehe, mich weiterzuentwickeln.“

Wer sind Ihre größten künstlerischen Vorbilder und warum?

„Da ich auf Jahrhunderte der Kunstgeschichte zurückschauen kann, gibt es zu viele Namen, um sie hier alle aufzuzählen. Außerdem ist das wie mit Farben, die Vorlieben kommen und gehen. Wenn ich ein paar Namen nennen müsste, die länger geblieben sind, sind es Klassiker wie: Merisi da Caravaggio, Piero della Francesca, Jan Vermeer… Bei Künstlern, die näher an unserer Zeit sind, könnte ich David Hockney, Giorgio Morandi oder Edward Hopper nennen. Aber das sind nur ein paar Namen, die mir in den Sinn kommen.“

Sie waren als Graffiti-Writer unterwegs, haben eine Grafikdesign-Ausbildung gemacht und Bildende Kunst studiert. Was hat Sie am meisten geprägt und fühlen Sie sich nun als vollständiger Künstler?

„Jede Phase, ob in einem kreativen oder in einem ganz anderen Sinne, fließt heute mit in meine Malerei ein. Die Ausbildung als Grafikdesigner hat dabei einen entscheidenden Anteil, da hier die gestalterischen Grundlagen vermittelt wurden, auf die ich immer wieder aufs Neue zurückgreifen kann. Auch wenn ich bereits vor meinem Studium künstlerisch tätig war und nun einige Jahre studiert habe, fühle ich mich nicht „Fertig“. Und ich bin der Überzeugung, dass dieses gefühlt nie eintreten wird und das ist auch gut so. Wenn doch, verliere ich die Neugier mich weiterzuentwickeln und könnte aufhören zu malen und etwas ganz anderes machen.“

Was ist das Besondere an Ihrer Ausstellung in der Braunschweiger Privatbank Niederlassung Köln und wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit und Unterstützung?

„Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, als erster Meisterschüler der Alanus Hochschule, dieses Stipendium in Form einer Soloausstellung realisieren zu dürfen. Dafür danke ich in erster Linie meinem Prof. Andreas Orosz, der mich für das Stipendium vorgeschlagen hat und Herrn Kamil Torres, der mein künstlerisches Schaffen für förderungswürdig empfunden hat. Die Zusammenarbeit habe ich, durch klare Absprachen und unkomplizierte Kommunikation, als äußerst angenehm empfunden. Die Besonderheit, an der Ausstellung in der Niederlassung in Köln ist, dass ich einen breiten Überblick über mein frühes Schaffen geben kann. Der Besucher wird retrospektiv von neuen Arbeiten, die Teil meiner Masterarbeit sind, bis zu frühen Arbeiten (zurück bis 2018) gelenkt. Mit 24 Werken, zeigt die Ausstellung meine ganz persönliche Entwicklung über mehrere Jahre, hin zu einer Art Frühwerk.“

Ein Gemälde des deutschen Künstlers Gerhard Richter mit dem Titel „4096 Farben“ hat bei einer Auktion kürzlich über 20 Millionen Euro eingebracht. Wie finden Sie Richters Arbeiten? Wie beurteilen Sie die den Kunstmarkt und dessen Preisgestaltung?

„Richters Arbeiten berühren mich nicht tiefergehend. Was mich dagegen beeindruckt, ist die Konsequenz, mit der er sein Werk verfolgt, katalogisiert und der Öffentlichkeit kommuniziert. Was die Preise des Kunstmarkts betrifft, denke ich, dass man es als ein Phänomen betrachten muss, was man beobachten kann, dass aber mit der Kunst im eigentlichen Sinn nichts zu tun hat.“

Wie geht es mit Ihrer künstlerischen Karriere weiter und was sind Ihre Pläne und Wünsche für die Zukunft?

„ Ich habe vor Kurzem meinen Master Abschluss absolviert. Nun habe ich die Möglichkeit als Meisterschüler, den Übergang in die Selbstständigkeit fließend zu gestalten, indem ich weiterarbeite und mit meinem Ansatz eines Frühwerks versuche, langsam in der Kunstwelt Fuß zu fassen. Zugleich verfolge ich mein anderes Werk im öffentlichen Raum weiter. So stehe ich auf mehreren Standbeinen und bin gespannt, was mich erwartet.“