Finanzmärkte unter Druck

Stefan Bielmeier, Vorstand DZ Privatbank, auf dem Investmentforum der Braunschweiger Privatbank

Die globale Konjunktur trübt sich aktuell zunehmend ein. Das Wachstum wird belastet durch die stark steigende Inflation, durch sich parallel erhöhende Kosten für Kredite und durch geopolitische Sorgen, insbesondere den Ukraine-Krieg. „Ich erwarte jetzt noch keine Rezession, aber ein relativ schwaches Wachstum für das laufende Jahr. Zwei Prozent sind wahrscheinlich noch zu viel. Ich gehe eher von einem Prozent aus“, zeichnete Stefan Bielmeier in seiner Einschätzung während des Investmentforums am 22. Juni in Wolfsburg immerhin kein ganz düsteres, eher ein schwarz-weißes Bild.

Seine Einschätzung: „Die Konjunktur ist schlecht und wird auf absehbare Zeit auch nicht besser, aber das meiste ist bereits in den Kapitalmärkten eingepreist, sofern sich kein größerer Krieg entwickelt und es keine Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan gibt. Eine Inflation bis zu zehn Prozent können die Märkte verkraften, gleichwohl werden sie ein sehr schwaches Jahr haben.“ Belastet von der gegenwärtigen Situation seien Aktienmärkte ebenso wie Renten- und Immobilienmärkte, Kryptowährungen und sogar Gold. Dagegen weisen Staatsanleihen wieder positive Renditen aus. Bei Bundesanleihen sind es immerhin rund eineinviertel Prozent für zweijährige Anleihen und knapp zwei Prozent für zehnjährige Anleihen. Bielmeier schloss perspektivisch sogar Guthabenzinsen auf Girokonten nicht mehr aus.

„Wir sind angesichts der aktuellen Gemengelage sehr defensiv eingestellt. Das werden wir auch in der zweiten Jahreshälfte nur ganz, ganz langsam verändern. Und auch nur dann, wenn wir tatsächlich eine Verbesserung der aktuellen Situation und einen längerfristigen Trend sehen. Wir haben für unser Portfolio aktuell Unternehmen ausgesucht, die sich auch in der Vergangenheit in solchen Phasen mit ihren krisenresistenten Geschäftsmodellen behauptet haben“, erläuterte Stefan Bielmeier die gegenwärtige Strategie der DZ Privatbank. Es gilt hauptsächlich, drohende Verluste zu minimieren.

Noch im vergangenen Jahr war er von der Rückkehr zur Normalität nach den beiden Coronajahren überzeugt und hatte in der damals bereits steigenden Inflation nur ein temporäres Problem gesehen. „Der Zündfunke zu allem, was sich jetzt so schwierig entwickelt, war der Ukraine-Krieg. Wir werden wahrscheinlich im Lauf des Jahrs Hungersnöte in Afrika und starke Migrationsströme nach Europa erleben. Insgesamt ist es ein unangenehmer Cocktail. Das alles führt zur Volatilität, zu großer Unsicherheit an den Märkten mit ihren negativen Folgen“, erläuterte er.

Mit der Vehemenz, mit der die Inflation jetzt gekommen sei, habe niemand rechnen können. Es seien sehr viele externe Faktoren, die dabei eine Rolle spielten. Das Grundproblem bei der Inflation seien insbesondere die steigenden Lebenshaltungskosten für die privaten Haushalte. „Die Zahl der Ratenkredite steigt kräftig. Die Kreditkarten werden stärker belastet. Die Menschen wollen ihren Lebensstandard aufrechterhalten, aber ihr Einkommen reicht dafür nicht mehr“, beschreibt der Vorstand der DZ Privatbank die aktuelle Entwicklung. Er geht davon aus, dass nicht zuletzt auch wegen der zu Recht steigenden Löhne, die IG Metall fordert beispielsweise acht Prozent mehr, die Inflation auch im nächsten Jahr Begleiter einer abkühlenden Konjunktur bleiben wird, aber eben nicht mehr ganz so hoch wie aktuell. Er räumte ein, dass die Europäische Zentralbank (EZB) vorsichtiger bei der Anhebung des Leitzinses, mit dem die Inflation zu steuern sei, agiere als die US-Zentralbank. „Dort will man auf dreieinhalb Prozent gehen, die EZB auf ein Prozent. Die tut sich aufgrund der Verschuldungssituation einiger europäischer Krisenländer ein bisschen schwer, weil steigende Zinsen bei hoher Verschuldung natürlich negativ sind.“

Der Euro stehe unter Stress, denn im Prinzip dürfe die EZB keine Staatsfinanzierung betreiben. Deswegen sei der Euroraum zurzeit sowohl von der Notenbankpolitik wie auch strukturell angeschlagen. Deutschland funktioniere zwar wirtschaftlich sehr stark, sei aber bisweilen politisch angeschlagen. „Wird der Euro bleiben, werde ich angesichts der Problematik tatsächlich immer häufiger gefragt. Dazu kann ich nur sagen: Solange der Euro ein politisches Projekt ist, wird er bleiben“, urteilte Bielmeier.

"Alle Relationen, die wir in den vergangenen 20 Jahren hatten, haben sich verändert.“
Stefan Bielmeier, Vorstand DZ Privatbank

Bis zum Dezember vergangenen Jahrs habe die Kurzformel gegolten, dass die Inflation niedrig ist, die Zentralbanken die Zinsen niedrig halten, die Renditen gering sind, aber die Aktienmärkte steigen. „Das geht so nicht, solange die Inflation steigt. Das ist die zentrale Größe. Alle Relationen, die wir in den vergangenen 20 Jahren hatten, haben sich verändert. Das macht sich an den Kapitalmärkten bemerkbar. Das erste Halbjahr im Aktienindex S&P 500 (Index umfasst die Aktien der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen) war das schlechteste seit Nixon Anfang der 1970er Jahre“, berichtete der Finanzexperte.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen haben die Notenbanken begonnen, die Liquiditätszuführung zu den Märkten zu reduzieren. Das führe dazu, dass es all jene Unternehmen schwieriger haben werden, die mit hoher Verschuldung ihre geschäftlichen Aktivitäten vorantreiben. Die Notenbanken täten das sehr bewusst, weil der leichte Zugang zu Liquidität auch eine Triebfeder für die Inflation sei.

In der Vergangenheit hätten Osterweiterung, Globalisierung, Arbeitsteilung, Digitalisierung und Automatisierung inflationsdämpfende Wirkungen gehabt. Jetzt schlügen die Probleme mit Russland und der Ukraine-Krieg für die deutsche Wirtschaft hart durch. Auch die sehr enge Zusammenarbeit mit China sei bundespolitisch nicht mehr so gewünscht. In der Folge sänken die Exporte, die die eigentliche Stärke der deutschen Industrie waren. Ein weiteres schwerwiegendes Problemfeld für die nationale Wirtschaft sei der demografische Wandel mit seiner Konsequenz des dramatischen Arbeitskräftemangels.

„Wir hatten im vergangenen Jahr in Ausübung der Mandate elf, fast zwölf Prozent Plus und haben jetzt im ersten Halbjahr angesichts des schlechtesten Kapitalmarktumfelds seit 40 Jahren zehn Prozent verloren. Die vergangenen zwei Jahre zusammengenommen bewegen wir uns also immer noch in der Gewinnzone. Das ist nicht so schlecht“, endete er trotz allem zuvor geschilderten Ungemachs mit einem unterm Strich versöhnlichen Ergebnis.