Ein Blick für neue Talente

Stifterehepaar fördert junge Künstler mit Herz und Sachverstand

Erklärtes Ziel der Stiftung von Perdita Adrian-Kunze und Hans-Peter Kunze ist es, das Potenzial junger Künstler, die am Anfang ihrer Karriere stehen, zu fördern. Wir waren zu Gast in ihrem „Kunstraum“ in Gifhorn. Im Gespräch verraten die beiden Stifter mehr über ihre eigene Sammelleidenschaft, geben Einblicke in ihre Stiftungsphilosophie und Tipps für angehende Kunstsammler.

Sie sammeln seit vielen Jahren Kunstwerke. Wann haben Sie beide Ihre Leidenschaft für die Kunst entdeckt?
Hans-Peter Kunze: Schon in unseren Studentenzeiten haben wir entsprechend unserem kleinen Budget erschwingliche Kunstwerke gekauft. Geprägt wurden wir dabei vor allem durch die aufstrebende Kunstszene in Köln in den 1970er und 1980er Jahren. Inzwischen setzen wir uns seit rund einem halben Jahrhundert intensiv mit bildender Kunst auseinander, mit dem Schwerpunkt zeitgenössische Malerei, Plastik und Fotografie.

Was muss ein Künstlertalent mitbringen, um Sie zu überzeugen?
Hans-Peter Kunze: Ganz eindeutig Mut. Für uns gilt: „Mut statt Mainstream“, Mut zum Experiment; Mut zum Anderssein; Mut, neue Wege zu beschreiten. Die Persönlichkeit ist ebenfalls eine wichtige Facette. Um einen Eindruck vom potenziellen Stipendiaten zu bekommen, möchten wir auch immer gern die jungen Menschen persönlich kennenlernen. Deswegen besuchen wir sie zum Beispiel in ihren Ateliers.

Trennen Sie sich auch wieder von Objekten?
Hans-Peter Kunze: Definitiv nein. Mit dem Kauf entscheiden wir uns für dieses Objekt und haben es sozusagen ins Herz geschlossen.

2011 gründeten Sie Ihre Stiftung mit welchem Ziel?
Perdita Adrian-Kunze: Über unsere Stiftung wollen wir erreichen, dass sich Künstler entwickeln können und in einer wirtschaftlich schwierigen Phase finanzielle Unterstützung erhalten. Im Vordergrund steht für uns, junge Talente aus den Bereichen Kunst und Kultur zu entdecken und zu fördern. Gleichzeitig haben wir eine klare Struktur mit unternehmensgleichen Verantwortungsbereichen und hoheitlicher Aufsicht zur zweckgemäßen Mittelverwendung geschaffen. Als kinderloses Ehepaar wollten wir so außerdem eine klare Nachfolgeregelung schaffen.

Was war bislang Ihr schönstes Erlebnis mit einem Stipendiaten?
Perdita Adrian-Kunze: Die Arbeit mit den Künstlern ist ein großer persönlicher Gewinn der immateriellen Art. Eine der eindrucksvollsten Reaktionen eines Künstlers spiegelt dessen Wahrnehmung wider: „Es war nicht die monatliche finanzielle Förderung, die für mich ausschlaggebend war. Es war die Gewissheit, dass die Verantwortlichen der Stiftung mit der Förderung ihren Glauben an mich und meine Arbeit bekundet haben. Das hat mein Selbstvertrauen immens gestärkt.“

Sie sind sehr gut vernetzt, haben Kontakte zu renommierten Galeristen, Sammlern und Mäzenen. Welchen Stellenwert hat Netzwerkarbeit für Ihr Stiftungsengagement?
Hans-Peter Kunze: Das Netzwerk im weitesten Sinne war und ist die Basis für die Wahrnehmung der Stiftungsaufgaben und insoweit des Stiftungszwecks. Die Zusammensetzung von Vorstand und Beirat ist das Ergebnis und gleichzeitig garantiert sie die zielgerichtete Förderung.

Engagieren Sie sich zusätzlich in anderen Bereichen?
Perdita Adrian-Kunze: Die Stiftung steht für uns im Mittelpunkt. Darüber hinaus engagiere ich mich jedoch noch bei Prag Live e. V., einem Verein, der Künstler aus Tschechien nach Wolfsburg einlädt, und ich bin beim Deutschen Roten Kreuz Präsidiumsmitglied des Kreisverbands Wolfsburg.

Corona schränkte uns alle ein. Inwiefern wirkte sich die Pandemie auf Ihre Stiftungsarbeit aus?
Perdita Adrian-Kunze: Angesichts der coronabedingten Restriktionen waren Veranstaltungen zur Präsentation von Werken der geförderten Künstler zunächst gar nicht und später nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Der Stiftungszweck konnte jedoch durch die Vergabe von Stipendien, Ausstellungen im Kunstraum der Stiftung und der darauf aufbauenden Publikation „Résumé“ erfüllt werden.

Wie schätzen Sie die Zukunft des Stiftungswesens ein?
Hans-Peter Kunze: Stiftung als Institution klingt nicht selten verstaubt, erinnert an große Stifter, die ihr Lebenswerk in diese Rechtsform eingebettet haben. In heutiger Zeit würde man eher Anglizismen wählen; so hat ja schon jetzt der Begriff „Charity“ einen weitaus besseren Klang.

Bekanntlich kommt es jedoch auf den Markenkern an; und der steckt in jeder Stiftung, egal auf welchem gemeinnützigen Gebiet. Stiftungen sollten als Beitrag zum Teilen verstanden werden, nicht etwa als Almosen, sondern als Unterstützer, als Motivator, als Initiator, als Anerkennung, als Treibriemen, um Menschen und Dinge voranzubringen zum Wohle der Allgemeinheit. Man darf nie vergessen: Gemeinnützige Stiftungen gehören uns allen; sie sind kein in sich geschlossener Kreis, schon gar nicht sollten sie elitär sein oder wirken. Dann haben sie eine Zukunft.

Sie sagen, Künstler sind das Spiegelbild der Gesellschaft. Welche Aufgaben übernehmen sie Ihrer Meinung nach?
Perdita Adrian-Kunze: Genau wie die Gesellschaft befindet sich auch die Kunst in einem stetigen Wandel. Ihre Aufgabe ist Veränderung. Kunst ist dazu da, alternative Vorstellungen von Realität zu entwickeln und damit neue Wirklichkeiten zu erschaffen. Sie muss ihre Ausdrucksform finden. Ihre Funktion ist es, Fragen zu stellen, ja, infrage zu stellen: Was kennzeichnet unsere heutige Zeit? Welche Impulse kann und sollte ich als Künstler geben?

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Hans-Peter Kunze: Wir wünschen uns weiterhin Erfolg beim Aufstöbern von förderungswürdigen Talenten mithilfe unserer Beiräte und Mitglieder des Vorstands. Und wir würden uns freuen, wenn das Interesse der Bürger aus der Region Gifhorn, Braunschweig, Wolfsburg an unserer Arbeit bleibt und sie Neuem weiterhin aufgeschlossen sind. Nur so geben wir den Künstlern der heutigen Generation eine Chance, sich und ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren, sich dem kritischen Dialog zu stellen, um ihre eigene Position auszuloten.

 

So starten Sie eine Kunstsammlung 

5 Tipps von zwei langjährigen Sammlern:

  • Ein Kunstwerk sollte in erster Linie Ihnen selbst gefallen. Scheuen Sie sich bei der Wahl nicht, eine Herausforderung einzugehen. Wenn ein Kunstwerk Sie herausfordert, wird es auch noch in späteren Jahren ein gern gesehener Wegbegleiter sein.
  • Groß zu denken, ist gut, allerdings eher auf lange Sicht. Gerade am Anfang ist es besser, ein Budget festzulegen und sich auf erschwingliche Werke zu konzentrieren.
  • Nehmen Sie sich Zeit, Ihren Blick zu schärfen. Lesen, recherchieren, sehen Sie so viel wie möglich. Gehen Sie in Museen und Galerien, sprechen Sie mit Kunstschaffenden.
  • Wenn Sie sich für eine Arbeit interessieren, vergleichen Sie diese mit anderen Werken des Künstlers. So finden Sie heraus, ob es sich bei der Arbeit um etwas Besonderes, um ein Highlight handelt.
  • Und last but not least: Kunst ist keine Altersversorgung. Die Markt- und Preisentwicklung ist nicht vorhersehbar. Es besteht das Risiko, dass die Entwicklung weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.