„Das Klavier muss es sein“
Sebastian Knauer, einer der bedeutendsten und erfolgreichsten deutschen Klassik-Pianisten, im Interview
Bereits im Alter von 14 Jahren gab Sebastian Knauer sein Konzertdebüt als Pianist in der Laeiszhalle Hamburg. Es folgten ausgedehnte Konzerttourneen durch ganz Europa, die USA, Südamerika und Asien, wo er in zahlreichen berühmten Konzertsälen auftrat. Zu Knauers Repertoire gehören die Klavierwerke der Komponisten von der Klassik bis zur Moderne, wobei sein Schwerpunkt auf den Klavierkonzerten liegt. So führte er u. a. als Dirigent und Pianist alle 27 Mozart-Konzerte mit den Philharmonikern Hamburg und sämtliche Haydn-Konzerte mit den Bamberger Symphonikern auf. Als Solist arbeitete er zudem mit vielen renommierten Kapellen, Orchestern und Dirigenten, aber auch mit namhaften Schauspielern, Schriftstellern und populären Musikern zusammen. Eins seiner neuesten Programme ist „Hollywood“, das Knauer zusammen mit den Symphonikern Hamburg unter der Leitung von David Newman am 7. Januar in der Elbphilharmonie Hamburg erstmals aufführt (s. Infokasten). Wir sprachen mit Sebastian Knauer.
Herr Knauer, Sie sind bereits mit vier Jahren zur Klassik und zum Klavier gekommen. Wie und warum?
„In meiner Familie hat Musik immer eine große Rolle gespielt. Bei uns zu Hause stand damals ein Klavier, da meine Mutter in ihrer Jugend gut gespielt hat. Sie hat dann vereinzelt Unterricht gegeben, ich habe dadurch dieses Instrument als Kind stark wahrgenommen und habe dann wohl schon als Vierjähriger gesagt: ‚Ich will Pianist werden.‘ Da war also für mich klar – das Klavier muss es sein.“
Was fasziniert Sie an diesem Instrument?
„Mit einem Augenzwinkern sage ich schon gerne mal – es ist so schön Klavier zu spielen, weil man im Sitzen arbeitet. Aber Spaß beiseite: Das Klavier steht als Instrument für sich allein in einer klanglichen Vollkommenheit da, die mich fasziniert. Das heißt, dass das Klavier Melodie und Begleitung zur gleichen Zeit spielt. Bei einem Streich- oder Blasinstrument oder auch beim Gesang bedarf es eigentlich fast immer einer Begleitung, also eines Klaviers, um das fertige Klangbild zu erreichen.“
Sie sind ein Kind der 80er Jahre. Wie hat Sie das Jahrzehnt musikalisch geprägt? Was waren damals Ihre Lieblingskünstler/-bands? Zu welcher Musik haben Sie in der Diskothek getanzt?
„Musik hat für mich schon immer eine große und zentrale Rolle gespielt. Natürlich auch in meiner Jugend. Aber neben der Klassik, die ich ja selbst spiele, haben mich schon immer auch alle anderen Musikrichtungen sehr interessiert. Für mich gibt es ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Musik – völlig egal aus
welchem Genre. Und so war ich in den 80er und 90er Jahren, und bin es bis heute, auch schon in vielen Pop-, Rock- und Jazzkonzerten. Sei es bei Michael Jackson, Earth Wind and Fire, Billy Joel, Sting, Pink Floyd, Miles Davis oder Coldplay. Und genau dazu habe ich natürlich auch schon in Diskotheken oder
Clubs getanzt …“
Ihr Konzertdebüt gaben Sie 1984 als Vierzehnjähriger in der traditionsreichen Laeiszhalle Hamburg, das einst das modernste deutsche Konzerthaus war. Wie verlief Ihr Auftritt? War dieses Konzert eine Art Initialzündung für Ihre Karriere?
„Das war natürlich ein ganz besonderer und auch einschneidender Moment in meinem Leben. Ich habe davor, eigentlich seitdem ich zehn Jahre alt war, häufig die Laeiszhalle als Zuhörer erlebt. Meine Eltern, die sehr begeisterte Konzertgänger waren, haben mich immer wieder mitgenommen, vor allem wenn große Pianisten wie ein Alfred Brendel, Claudio Arrau oder Vladimir Horowitz auftraten. Ich habe auf einem Kissen als Sitzerhöhung diese Musiker bewundert – auch wenn ich bedingt durch die abendliche Uhrzeit natürlich zwischendurch mal eingeschlafen war. Und ich habe innerlich gesagt: Irgendwann will ich da oben auch einmal sitzen und ein Konzert geben. Und als dann also 1984 dieser Moment gekommen war, ging ein großer und wahnsinnig aufregender Traum in Erfüllung.“
Sie sind bereits in Europa, den USA, Südamerika und Asien aufgetreten. Welches Land hat Sie besonders beeindruckt und warum?
„Ich kann mich da gar nicht so festlegen. Jeder Kontinent, jedes Land, jede Stadt, in der ich aufgetreten bin, hat einen ganz besonderen Reiz. Da sind es zum einen berühmte Konzerthäuser, die mich bei meinen Auftritten beeindrucken, sei es die Berliner Philharmonie, der Musikverein in Wien, das Concertgebouw in Amsterdam, das Théatre des Champs Elysées in Paris, das Auditorio in Barcelona, das Lincoln Center in New York, die Toppan Hall in Tokyo oder Center for Performing Arts in Peking. Und damit verbunden natürlich auch die jeweilige Kultur und das jeweilige Publikum, das ganz unterschiedlich reagiert. Grundsätzlich fasziniert und beeindruckt mich jeder meiner Auftritte, sei es in meinem Heimatland Deutschland oder weltweit.“
Wo hat das Publikum am euphorischsten auf Sie reagiert – und wo ist der Funke nicht übergesprungen?
„Auch das kann man nicht genau festlegen, da es überall passieren kann und auch schon passiert ist. Aber die Art und Weise der Begeisterung kann man dahingehend vielleicht etwas differenzieren. In Japan z. B. kann man während eines Konzerts, obwohl 2.000 Menschen im Saal sitzen, die berühmte Stecknadel fallen hören – ja man könnte fast meinen, es sei niemand gekommen – am Schluss gibt es dann aber einen aufbrausenden Applaus, der tatsächlich seinesgleichen sucht. In den USA bedankt sich das Publikum gerne auf Anhieb mit Standing Ovations. In China ist der Applaus stark und eher kurz, dafür kommen zum anschließenden Signieren teilweise Hunderte Zuschauer. Das deutsche Publikum bedankt sich gerne mit rhythmischem Klatschen, in Frankreich wird gerne laut ‚Bis‘ (Zugabe) gerufen. So gibt es für eigentlich jedes Land andere Gewohnheiten.“
Was sind überhaupt die schönsten Momente für Sie auf der Bühne?
„Wenn ich merke, dass ich das Publikum möglichst schnell emotional erreiche und sich sozusagen eine Spannung und Verbindung aufbaut. Für mich dann auch gleichzeitig das größte Kompliment, weil ich schnell merke, wie aufmerksam das Publikum zuhört und mir entsprechend folgt. Wenn Menschen nach einem meiner Konzerte emotional berührt nach Hause gehen, dann ist das ein ganz wichtiger Erfolg für mich. Natürlich auch, wenn ich gut gespielt habe und meine beste Leistung an dem Tag zeigen konnte.“
Sie haben als Dirigent und Pianist alle 27 Mozart-Konzerte mit den Philharmonikern Hamburg und sämtliche Haydn-Konzerte mit den Bamberger Symphonikern aufgeführt. Was lieben Sie an Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Joseph Haydn und deren Wiener Klassik?
„Mozart spielt eine zentrale Rolle in meinem gesamten Repertoire. Schon seit meiner Kindheit hat mich seine Musik fasziniert. Die ‚pure Schönheit‘ – wie ich sie bei Mozarts Musik empfinde – hat etwas Einzigartiges. Auf der einen Seite eine spielerische Leichtigkeit, auf der anderen Seite eine große Tiefe und Dramatik. Bei kaum einem anderen Komponisten empfinde ich diesen Gegensatz so intensiv. Überhaupt bin ich ein großer Freund der Wiener Klassik, da vor allem auch Beethoven zu meinen absoluten Favoriten unter den Komponisten gehört. Und dazu zählen dann natürlich auch Schubert und Haydn.“
Sie haben unter dem Motto „Wort trifft Musik …“ auch mit namhaften deutschen Schauspielern kooperiert. Was hat Sie an diesem Projekt gereizt und welche Schauspieler haben Sie am meisten beeindruckt?
„Das Format ,Wort trifft Musik‘ Habe ich über mehr als zwei Jahrzehnte sehr intensiv betrieben und tue es auch immer wieder aktuell. Alles begann Anfang der 2000er Jahre mit der unvergessenen Hannelore Elsner. Ich hatte damals sofort gemerkt, dass das Publikum diese Kombination aus Text und Musik sehr schätzt und auch wir auf der Bühne haben gemerkt, dass sich beide Bereiche gegenseitig stark inspirieren. Seither habe ich dieses Format in vielen Hunderten Konzerten mit zahlreichen selbst konzipierten Themen auf die Bühne gebracht, und das mit großartigen Schauspielern wie Klaus Maria Brandauer, Ulrich Tukur, Iris Berben, Martina Gedeck, Katja Riemann, Hannelore Hoger oder eben Hannelore Elsner. Alle auf ihre Art und Weise einzigartig – und ich kann mich beim besten Willen nicht festlegen, da ich sie alle wunderbar finde!“
Eins Ihrer neuesten Highlight-Projekte trägt den Titel „Hollywood“. Was reizt Sie an der Interpretation amerikanischer Filmmusik? Welche Rolle spielt dabei Komponist und Dirigent David Newman? Was können die Besucher von Ihrem Konzert am 7. Januar 2025 erwarten?
„Als großer Filmfan hat mich natürlich die Filmmusik entsprechend immer schon sehr begeistert. Was ist schon ein Film ohne Musik? Wie es Filmkomponisten schaffen, dem Film die nötige Stimmung zum jeweiligen Moment zu verschaffen, fasziniert. Ich habe den größten Respekt vor Filmkomponisten. Mein Wunsch war es, bei meinem Vorhaben ,Hollywood‘ eine etwas andere Geschichte zu erzählen, als es vielleicht bislang in vielen anderen Filmmusik-Alben der Fall war. Im Mittelpunkt steht die erfolgreichste Filmkomponisten-Familie seit Bestehen der Academy Awards. Mit insgesamt 14 gewonnenen Oscars und fast 100 Nominierungen. Von Alfred Newman, Begründer des Hollywood- Sounds, neunfach oscarprämiert, bis hin zu seinen Söhnen David und Thomas Newman (zusammen 16-fach oscarnominiert), erzähle ich über fast 100 Jahre die Geschichte der amerikanischen Filmmusik.
David Newman, der gleichzeitig die musikalische Leitung dieses Projekts hat, arrangierte dazu zahlreiche berühmte Filmmusiken seines Vaters sowie auch die vieler weiterer von der Familie Newman beeinflussten Hollywood-Größen. Dazu haben er und auch sein Bruder Thomas Newman, der u. a. die Soundtracks von James Bond ,Skyfall‘ und ,American Beauty‘ geschrieben hat, mir neue Stücke persönlich geschrieben, die am 7. Januar 2025 als Weltpremiere zu hören sein werden.“
Sie werden in Ihrer künstlerischen Arbeit auch von der Braunschweiger Privatbank unterstützt. Wie ist der Kontakt entstanden und was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?
„Vor einiger Zeit wurde ich eingeladen, für eine kleinere Auswahl von Gästen der Bank in Form eines Vortrags (verbunden mit einem kurzen Live-Auftritt am Klavier) über das ,Leben eines Konzertpianisten‘ zu erzählen. Ein Format, das ich in der Form bislang noch nicht bedient hatte. Es war ein wunderbarer Abend mit einem sehr persönlichen Austausch mit den Gästen und dem Vorstand der Bank. Wir haben dann weitere Gespräche geführt und überlegt, wo sich eine Zusammenarbeit anbieten könnte. Das Interesse der Bank, vor allem mit einem sehr persönlichen Zugang, hat mich auf Anhieb begeistert, und so haben wir beim Projekt ,Hollywood‘ schnell eine Zusammenarbeit beschlossen. Ich freue mich sehr darüber und ebenso auf das, was im Rahmen unserer Kooperation noch alles zukünftig kommen mag.“
Hollywood in Hamburg
Weltbekannt ist Hollywood als Zentrum der US amerikanischen Filmindustrie. Diesem legendären Mythos spürt Pianist und Echo- Klassik-Preisträger Sebastian Knauer, in Begleitung der groß besetzten Symphoniker Hamburg, in seinem gleichnamigen Programm musikalisch nach. In Originalen und exklusiv für ihn geschriebenen neuen, noch nie gehörten Arrangements wird am 7. Januar 2025, 20 Uhr, im Großen Saal der Elbphilharmonie Hamburg ein Programm der ganz besonderen Art präsentiert: die Klangwelt Hollywoods. Die Leitung des Abends übernimmt der oscarnominierte Komponist und Dirigent David Newman.
Er stammt aus der erfolgreichsten Filmmusik-Dynastie seit Bestehen der Academy Awards. Auf dem Programm steht Musik seines Vaters Alfred Newman, dem Gründervater des Hollywood-Sounds, Komponisten der bekanntesten Fanfare der Welt, des 20th Century Fox Logos, Gewinner von neun Oscars und seinem ebenfalls mehrfach oscarnominierten Bruder Thomas Newman. Zu hören sind weiterhin die oscarprämierten Komponisten Alex North, Bernard Herrman, Elmer Bernstein, Jerry Goldsmith und James Horner. Aufgeführt werden an diesem Abend auch die großen amerikanischen Klassiker George Gershwin, Leonard Bernstein, Aaron Copland und Samuel Barber.